Viele Abgänge in die Arbeitslosigkeit erfolgen immer noch aus
KrankheitsgründenNeue Handlungsmöglichkeiten für Betriebs/Personalräte /SBV
Ausgangspunkt:(2) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung (BR/PR), bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen.
Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 (innerhalb von zwei Wochen ) erbracht werden. Die zuständige Interessenvertretung (BR/PR) im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.
Ziel: Prävention
Die Verpflichtung des Arbeitgebers, frühzeitig gegen erkennbare Gefährdungen einzuschreiten, zielt darauf ab, Schwierigkeiten bereits im Ansatz zu beheben, um eine Kündigung erfolgreich zu vermeiden. Maßnahmen sind dann geeignet, wenn sie den Gesundheitszustand stabilisieren und fördern - d.h. Arbeitsunfähigkeit vermeiden und erneuter vorbeugen, damit die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit, d.h. der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Es geht jedoch nicht nur darum eine Kündigung zu vermeiden, sondern vor allem auch darum, gesundheitsbedingten Beschäftigungsproblemen, Behinderungen und chronischen Erkrankungen vorzubeugen. Es gilt der „Vorrang der Prävention“ (vgl. §§ 2 und 3 SGB IX). Kündigungsprävention ist ein Ziel des § 84. Im Vorfeld geht es darum, alles dafür zu tun, dass es erst gar nicht so weit kommt! Ein Übergehen bekannter Beschäftigungsprobleme seitens des Arbeitgebers kann nicht toleriert werden.
Verpflichtung: Arbeitgeber muss tätig werden!
Der Arbeitgeber muss zu diesem Zweck frühzeitig tätig werden - wenn Beschäftigte in einem Jahr länger als sechs Wochen ununterbrochen bzw. wiederholt krank sind, klärt der Arbeitgeber, mit welchen Maßnahmen der Arbeitplatz erhalten werden kann.Die Schwerbehindertenvertretung, der Betriebs-/Personalrat, die betroffenen Personen und das Integrationsamt (Servicestelle - bei Behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen) sind an diesem Verfahren unmittelbar beteiligt.
Verstößt der Arbeitgeber gegen die gesetzliche Pflicht des § 84 , führt eine unterlassene Einbeziehung (Unterrichtungspflicht) der Interessenvertretung (bei schwerbehinderten Beschäftigten die SBV) zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung.
Diese ist gerichtlich festzustellen.
Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen die Vorschrift § 84 SGB IX begründet keine Ordnungswidrigkeit nach § 156 SGB IX .Obgleich die Vorschrift nicht sanktionsbewehrt ist, wird sie für den Arbeitgeber nicht folgenlos bleiben.
Im Fall krankheitsbedingter Kündigungen gilt es, zu überprüfen, ob im Vorfeld Maßnahmen der Prävention durchgeführt wurden und wenn nicht, welche Maßnahmen der Prävention bzw. der Beschäftigungssicherung ggf. in Frage kommen, die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Die Darlegungs- und Beweislast liegt beim Arbeitgeber.
„Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das Verfahren nach § 84 SGB IX zeitlich vor einem Kündigungszustimmungsverfahren nach § 85 ff. SGB IX durchzuführen. (...) Krankheitsbedingte Kündigungen zu verhindern, ist ein erklärtes Ziel der Vorschrift.“ (Möglichkeiten und Grenzen des SGB IX, ver.di 2004, S. 31)
Was heißt das konkret?
Der § 84 Abs.2 sagt: der Arbeitgeber muss zur Sicherung des Arbeitsverhältnisses ein Präventionsverfahren (Eingliederungsmanagement) durchführen. Dadurch sollen künftig die Grundsätze:
- „Vorrang der Prävention“
- „ Rehabilitation statt Entlassung „
zur Teilhabe am Arbeitsleben betrieblich mehr Gewicht bekommen.
Individualrechtlich kann sich eine ausgesprochene Kündigung als sozial ungerechtfertigt erweisen, wenn dieser keine Prüfung und Erörterung der Beschäftigungssicherungsmöglichkeiten vorausgegangen ist.
Das heißt, die einseitige Arbeitgebermaßnahme kann unwirksam sein:
„Aufgrund der Rechtssprechung des BAG, wonach auch für die Kündigung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots gilt, kann eine Kündigung, die bei sachgerechter Durchführung von Präventionsmaßnahmen hätte verhindert werden können, sozial ungerechtfertigt sein. Das Integrationsamt hat also seine Zustimmung zu verweigern, das Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam zu erklären.“ (Möglichkeiten und Grenzen des SGB IX, ver.di 2004, S. 31)
[Ein Vergleichsurteil gibt es noch nicht – doch ein Urteil auf der Grundlage des § 84 Stand 2003:
Nach einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 9. Oktober 2003 ist die Verletzung des Präventionsgebotes nach § 84 SGB IX ein Hinderungsgrund für eine Kündigung!! (siehe Rundschreiben der „Arbeitsgemeinschaft der Schwerbehindertenvertretungen des Bundes und der Länder – Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern 2. Senat, Beschluss vom 9. Oktober 2003, Az: 2 M 105/03
SGB IX § 84 Abs. 1, SGB 9 § 93, BG MV § 87, VwVfG MV § 45 Abs. 1 Nr 3)]
„Die Änderung im SGB IX ... wird es Arbeitgebern womöglich schwerer machen, Mitarbeiter aus Krankheitsgründen zu entlassen“ (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.09.04, S. 21)Quelle:
Detlef Baade K-Sbv
AK ver.di Behinderten/Sozialpolitik Hamburg
im Februar 2005
Fundus:Christine Dering/Ralf Stegmann, „Möglichkeiten und Grenzen des SGB IX – Ein Kurzgutachten“ , ver.di Bundesverwaltung, Sozialpolitik, Berlin
Achim Huber „Prävention als Eingliederungsmanagement“, ISO-Institut, Saarbrücken BMGS
AiB- Werner Feldes Soziale Sicherung
K.H. Köpke „Wir wollen ins Boot“, DGB
Knittel Kommentar § 84 SGB IX
Weitere wichtige INFOS für Schwerbehindertenvertretungen sowie Betriebs- und Personalräte und andere Interessenvertretungen:
- Aufgaben/Pflichten für Betriebsräte (§ 93 SGB IX) (19.07.2002)
- SGB IX als PDF-Ausgabe (Stand: 01.05.2004)
Ergänzungen, Berichtigungen, bitte per eMail an uns
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